Da sind wir der Apokalypse noch mal von der Schippe gesprungen.
Die Unionen haben diese Woche einen epochalen Wurf aus dem Koalitionsgranit geschlagen, zu dem Angela Merkel und Horst Seehofer inzwischen erstarrt sind. Hätten sie das nicht gepackt, wie rasant wäre das Land in eben den Abgrund gestürzt, in den Bettina “für uns vor Ort” Schausten uns während jeder Schalte ein Stückchen tiefer blicken ließ. Wir haben verstanden, die Sicherung der deutschen Außengrenze ist eine Herausforderung biblischen Ausmaßes. Sage und schreibe 5 oder 50 Menschen am Tag (je nach Rechnung) wollte Heimat-Hotte am Schlagbaum die rote Kelle zeigen.
Machen wir uns nichts vor. Der so benamte Asylstreit hat mit Zahlen ohnehin nichts zu tun. Er ist Zeitgeist. “Wir schaffen das“ ist so 2015. Jetzt sprengen wir den ganzen Bumms lieber in die Luft, anstatt auch nur einen weiteren waschlappigen Kompromiss zu machen. Hiob ist wieder hip.
Aber wer sagt eigentlich, dass der Weltuntergang etwas schlechtes ist? Alle Steuererklärungen sind vernichtet. Keine Karriere kann mehr knicken. Das macht das bisschen Leben, das uns noch bleibt, doch gleich viel lässiger.
Darum geht’s diesmal: Katzen auf der Schulter, Drogen in der Bundespolitik, Umvolkung-Volker, eine wilde Insel, Schneeflocken
Darum geht’s nicht: Mesut Özils Vater, Jogi Löws Mudda
Head of Cool
Lässigkeit ist ganz offenbar eine vom Aussterben bedrohte Haltung. Doch selbst im Angesicht schlimmster Befürchtungen kann man es locker angehen. “Head of Cool” ist der polnische Historiker Jerzy Targalski. Während er vom niederländischen Fernsehen interviewt wird, steigt ihm seine Katze auf den Kopf. Targalski analysiert einfach weiter.
The Polish historian & political scientist Jerzy Targalski remained completely unruffled during our interview when this happened👇🤨🤷♂️ pic.twitter.com/4dLi16Pq1H
— Rudy Bouma (@rudybouma) July 7, 2018
MEHR DAZU: Die angesichtigen Befürchtungen sind in diesem Fall wahrlich schlimm. Die nationalkonservative PiS-Regierung hat wieder mal die Axt an den polnischen Rechtsstaat gelegt. Mit Hilfe eines neuen Ruhestandsgesetzes entledigte man sich der Präsidentin des Obersten Gerichts, Malgorzata Gersdorf. Manch ein Auskenner glaubt, das einzige, was Polen noch vom Erdogan- oder Putin-Staat-Werden abhält, sei die EU. Aber auch das kann ja inzwischen Verhandlungssache sein.
Sprechuntergang
Die martialische Aufrüstung einerseits und die naseweise Zickigkeit andererseits, wenn’s um Worte geht, ist eine schöne Begleiterscheinung des Untergangszeitgeistes. Wenn aus einem Transferzentrum ein Transitzentrum wird (oder umgekehrt?), kann das einer Regierungskoalition schon mal das Überleben sichern. Am faszinierendsten aber ist die steile Karriere, die das Wörtchen „wirkungsgleich“ in den vergangenen Wochen gemacht hat.

Während des Asylzwists diente „wirkungsgleich“ der Einordnung von politischen Maßnahmen gemäß der nach oben offenen Masterplan-Skala. Alles unter 50 Prozent Wirkungsgleichheit bedeutete: Seehofer tritt zurück. Alles darüber: Seehofer sagt, dass er zurücktritt, tut’s aber nicht. Wer das „wirkungsgleich“ jüngst aus der Wortschatulle zauberte und im Politischen ablud, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei ermitteln. Fest steht nur, woher das Wort eigentlich kommt: aus der Apotheke. Früher waren höchstens Drogen wirkungsgleich. Drogen. Merkt Ihr selber, Angela?
Wilde Insel
Der Roboter Roz landet auf einer Insel. Sie weiß nicht, woher sie kommt. Sie weiß nicht, was ihr Zweck ist, und nicht, was der Zweck von allem anderen. Freundlich ist ihr Empfang nicht. Aber das ändert sich. “Das Wunder der wilden Insel” von Autor und Illustrator Peter Brown hat reichlich Preise eingeheimst. Wahrscheinlich weil es eine so leicht verständliche Anleitung ist zum Menschwerden, wo Menschsein gar nicht vorgesehen ist. Vielleicht starte ich ein Crowdfunding und schicke drei Paletten von dem Buch nach Berlin.
Das Buch ist ein Kinderroman ab zehn Jahre. Aber das macht es kein bisschen weniger schlau. Und Du bist schon zehn, oder?

Umvolkung-Volker
Die Mackerpolitik dieser Tage ist ja vor allem deshalb so schwer erträglich, weil sie ihren Anfang in einer ganz und gar heulsusigen Weltsicht nimmt. Alles ist granatenübel, nix wird jemals funktionieren nicht. Mehr Zuversicht wäre wirklich ganz richtig. Aber sie zu fordern ist schon so abgenudelt, und man klingt auch schnell wie ein Startup-Fuzzi. Belassen wir es also zunächst beim Faktensammeln.
Die Fakten sprechen nicht gerade für den kleinen Mann, der sich beinahe-ausgerottet sieht. Nennen wir ihn Umvolkung-Volker. Dieser Umvolkung-Volker also treibt trommelnd die politische Führungsetage vor sich her, weil er hinter jeder fünften Straßenecke einen Muslimen vermutet. Erstens ist es nicht schlimm, einen Muslimen zu treffen, und zweites ist es nur jede zwanzigste Straßenecke.

Augen zu und weg
Weicheier, die an keinen endzeitlichen Kampf zwischen anrückenden Horden und wackeren Abendländern glauben wollen, werden von denen, die sich trollen (vgl. Umvolkung-Volker), gerne als “Schneeflocken” verhohnepipelt. Das ist für Euch, Verhohnepipelte.
Adieu
Nie habe ich das Sommerloch sehnlicher herbeigewünscht. Man kommt am Welt-Murks einfach nicht vorbei gerade. In der nächsten Ausgabe geht’s wieder um die wirklich unwichtigen Dinge. Zwinker!
Bis nächste Woche
Andreas