Das ist die fünfte „Eskapade“. Das heißt, das Probieren hat ein Ende, und wir laufen vom Stapel. Mir macht’s Spaß, und die Rückmeldungen sagen, mancher liest den Newsletter, und mancher mag ihn sogar. Aber viel wichtiger: Offenbar habe ich es verstanden, den moralisierend-erzieherischen Charakter des Newsletters rüberzubringen. Leser Andreas fragte zum Beispiel: „Du samma, kann man bei dir auch anschreiben lassen?“ Andreas, my team will follow up with you!
Ich sag wie’s ist: „Die Eskapade“ ist frei von Zweck (wenn man davon absieht, dass ich gerne Briefe schreibe). Trotzdem freue ich mich über jeden neuen Leser. Also leite den Newsletter doch weiter, wenn Dir gefällt, was Du siehst. Jeder, der das mindestens dreimal macht, bekommt die nächste „Eskapade“ als superanaloge Früherwarallesbesserversion nach Hause. Der Text handgeschrieben, die Bildchen rausgerissen aus Muttis Frauenzeitschrift, UHU, Glitzerstift, das ganz große „Kunst und Gestalten“-Besteck.
Darum geht’s diesmal: Schweden, Musik aus Schweden, Mesut Özil, Tanzfilme, einen Rosenkrieg, Steinzeitmenschen mit Rücken
Darum geht’s nicht: Donald Trump, Melanias Jacke, Abba, was ehemaligen Viva-Moderatoren heute machen
Wie bullerblöd ist das denn?
Ich hab mir von Mesut Özil sagen lassen, das WM-Spiel morgen gegen Schweden sei das erste Finale. Weil man so ein Finale ja auch verlieren kann, sollten wir mindestens den Gedanken zulassen, dass es die Schweden gewesen sein könnten, die die Mannschaft nach Hause geschickt haben werden. Aber wenn ich mir einen Rausschmeißer aussuchen müsste, er wäre immer ein Schwede. Denn …
… Schweden und Deutschland verbindet eine traditionelle Freundschaft. Sagt Herfried Münkler, und der kennt sich aus. Gut, vom Dreißigjährigen Krieg mal abgesehen.
… Schweden wird zwar bei jeder Gelegenheit so bullerblöd in die Ikea-Schublade gesteckt. Aber in Wirklichkeit ist Schweden so cool, weil die Wirtschaft brummt. Und die Wirtschaft brummt, weil des Schwedens Blick in die Zukunft so sonnig ist wie das Wetter in Taka-Tuka-Land. Ups.
… Saga Norén:
MEHR DAVON: Der Deutsche pfeift derweil Mesut Özil aus. Dessen Verbrechen ist es, nicht die deutsche Nationalhymne zu singen, nicht in der Form seines Lebens zu sein und leider einen dämlichen Auftritt mit dem türkischen Präsidenten hingelegt zu haben. Es kann natürlich theoretisch sein, dass alle Pfeifer Kämpfer für die Menschenrechte sind und mithin erklärte Gegner von Recep Tayyip Erdogans durchherrschtem Machtmodus. Wer aber diese Woche Effenberg, Matthäus und Basler beim Blöken erlebt hat, muss davon ausgehen: Wer Özil auspfeift, ist zuallererst ein Arschloch.
Locker aus der Hüfte
Wenn sich nur alle mal locker machen würden. So locker wie Jeff Bridges‘ Hüften. So Hüften wie in den 300 Tanzszenen, die in diesem Filmchen zusammengeschnitten sind.
MEHR DAVON: Ob es solche Mashups in Zukunft überhaupt noch geben wird, ist seit dieser Woche ein bisschen fraglicher. Denn der EU-Rechtsausschuss hat am Mittwoch sogenannte Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht auf europäischer Ebene beschlossen. Das einzig gute an der Sache: die Lobbyisten der Verlage.
Union ./. Union
In der Familiensache „Union gegen Union“ wird in den kommenden Tagen offenbar das Urteil gesprochen. Und falls doch nicht, dann bleibt es immerhin eine historische Leistung, dass beide Unionen es mindestens wahrscheinlich erscheinen ließen, dass sie demnächst getrennte Wege gehen. Ganz, ganz lange habe ich überlegt, welche auskennerische Referenz zu Kramer gegen Kramer, dem Scheidungsfilm schlechthin, ich hier einbauen könnte. Aber erstens kenne ich Kramer gegen Kramer gar nicht. Und zweitens ist Der Rosenkrieg natürlich die viel bessere Anleihe. Schon weil ich mir so gerne vorstelle, wie Horst Seehofer unvermittelt aufsteht bei einer nächtlichen Krisensitzung und dann sagt: „Jetzt gehe ich in die Küche und pinkele auf den Fisch.“
MEHR DAVON: Die „europäische Lösung“ und der „nationale Alleingang“ sind ein zurechtgeschustertes Gegensatzpaar, damit der Kampf um Macht wie das Ringen um Lösung aussieht. Worum es wirklich geht, und wie es deshalb ausgehen könnte, stellt diese Grafik dar („Seehofer geht in die Küche und pinkelt auf den Fisch“ fehlt allerdings):
Fettsackstyle
Der Mensch hat heute so viel Rücken, weil er sich von seiner genetischen Bestimmung entfernt hat. Statt von Liane zu Liane zu schwingen, versteift er zusehends im Bürostuhl. Diese Theorie mag zur Sehnsucht nach mehr Landluft von uns Bürohengsten und -stuten passen. Stimmt aber nicht. Rückenprobleme hatten schon Steinzeitmenschen. Rückenprobleme haben nichts mit Bürojobs zu tun, sondern mit Bequemlichkeit. Wenn eine Zivilisation sich leisten konnte, dass ein Teil der Gruppe nicht mehr umherziehen musste, dann ging das aufs Kreuz der Rumlümmler. Das hat die Bioarchäologin Brenna Hassett herausgefunden, und in ihrem Buch Warum wir sesshaft wurden und uns seither bekriegen, wenn wir nicht gerade an tödlichen Krankheiten sterben aufgeschrieben.
So ein vorhistorischer Bezug macht viel von dem heutigen Pillepalle sehr viel relativer. Deshalb liegt das Buch bald im Briefkasten.
Augen zu und weg
Schweden ist nicht eben berüchtigt für seinen Rap. Aber es gibt ihn. Yung Lean ist ein 21 Jahre alter Rapper aus Schweden. In diesen 21 Jahren ging zuerst sein Song Ginseng Strip 2002 viral, dann seine Karriere steil, und nach einem Ausflug nach Florida inklusive Xanax, Kokain und Überdosis lebt er inzwischen wieder bei seiner Familie im Stockholmer Speckgürtel. Bei Mama ist doch immer noch am cleansten.
Warum ich das erzähle? Weil Red Bottom Sky (s. unten) genauso klingt. Wie ein druffer Cloudrapper, der nicht mehr druff ist.
Bonner Republik
Ach so, schöne Grüße aus Bonn übrigens. Da bin ich gerade. Für alle, die sich fragen, wie alt der Geist im Hotel Bristol an der Poppelsdorfer Allee ist. Die Antwort ist: Aschenbecher-auf-dem-Klo-alt.
Bis nächste Woche
Andreas