Die Sommerpause ist vorbei. Leser Dirk fragte mich der Tage, warum “Die Eskapade” überhaupt meinte, sich eine solche Pause leisten zu können. Und ich ahnte, den Nachsatz zu hören: Wo sie doch erst so jung ist, und deshalb twentyfourseven neue Abonnenten zu finden und die alten bei Laune zu halten hat. Da hat Dirk natürlich recht. Andererseits ist der Sommer für den Eskapisten was dem Karnevalisten die fünfte Jahreszeit. Und schließlich machen alle Großen eine Sommerpause. Die Piemont-Kirsche zum Beispiel.
Darum geht’s diesmal: Jan Ullrich, Kevin Spacey, Sex auf dem Balkon, Pöbel-Polizisten, die neue Nationalhymne
Darum geht’s nicht: den Bundesliga-Start, den nächsten Tatort im Kurz-Check, den langen Absturz von Sabine Lisicki
Sammy, Bruno, Ulle
Wer eintaucht in die Wirklichkeit, nach vier Wochen auf einer Umlaufbahn weit weg von Twitteriten-Hagel und Hashtag-Einschlägen, stellt fest: nix verpasst. Das Sommerloch-Tierchen hieß in diesem Jahr nicht Bruno, sondern Ulle. Wobei für Letzteres das Braten unterm Medienbrennglas nur unwesentlich besser ausging als für den Problembären. Immerhin, Jan Ullrich steht heute nicht ausgestopft in der RTL-Kantine.
Die „Bild“ überwand endlich ihren Özilpussy-Komplex. Und der „Spiegel“ ging der Frage nach, was der ausradierte Kevin Spacey so mache. Die knappe Antwort (“Keine Ahnung”) wurde gegossen in nicht so knappe 3.500 Wörter und schaffte es sogar damit zeitweise an die Spitze der Blendle-Charts.
Der Präsident in Washington kartätschte in lauen Sommernächten nicht mehr gar so arg. Dafür rückt ihm Ermittler Mueller zunehmend auf den Problembären-Pelz. Und doch bleibt auch das nur politisches Rambazamba, bis denn dann irgendwann mal Trumps Deep Throat die Bühne betritt. Andere Pornonamen-Träger haben bisher ja nichts vorzeigbares zustande gebracht. No offense, Stormy!
Dein Freund und Pöbler
Sei’s drum, in Bayern und Hessen stehen Landtagswahlen an. Da wird sich doch was zusammenpanschen lassen, das der Volksseele Entrüstung einhaucht. Das Domain-Pillepalle um den Söder, der’s machen will, war immerhin ein Anfang, aber auf der nach oben offenen Augenroll-Skala immer noch viel zu weit oben.

Erste Tiefausläufer der wirklich blutigen Stechereien, von denen uns die Hauptnachrichten im Herbst berichten werden, traten am Donnerstag vergangener Woche in Dresden auf. Ein Pegida-Demonstrant bepöbelt ein ZDF-Team, und die Polizei hält die Journalisten eine Dreiviertelstunde von der Arbeit ab. Das Ganze wäre als polizeiliche Tapsigkeit kaum der Rede wert gewesen. Erst die Reaktionen offenbarten eine schimmlige Melange aus politischem Dilettantismus und verhohlener “Knüppel frei”-Denke.
Sachsens Ministerpräsident dachte, mit einer tumben Schutz-und-Trutz-Nummer (etwa: “Meine Mannen handelten mithin ehrenhaft”) aus der Pressefreiheit-Nummer rauszukommen, bewies damit aber zuvorderst juristischen Aufholbedarf und politische Instinktlosigkeit. So eine Anbiederung ans Law-and-Order-Publikum mag opportun sein, ist aber selten von Erfolg gekrönt. Hätte der Herr Seehofer dem Herrn Kretschmer sagen können.
Das Beste kommt zum Schluss: Der Pöbler arbeitet also beim LKA. Die echauffierte Birne gehört einem mittelbaren Ordnungshüter. Die Diskussion um angeblich mangelnde Verfassungstreue deutscher Polizisten im Freistaat Sachsen sollten wir deshalb gar nicht erst beginnen. Denn die Angelegenheit lässt sich viel früher abräumen. Für Vertreter der Staatsgewalt gilt eine “außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht”. Wer sein teigig-glänzendes Gesicht mit schwarz-rot-goldenem Anglerhut krönt, hat diese Pflicht schon aus ästhetischer Sicht grob verletzt und gehört aus dem Staatsdienst entfernt.
Übrigens, die einschlägige Wohlverhaltenspflicht wurde jüngst auch vom Oberverwaltungsgerichts Bremen für eine Entscheidung herangezogen. Ein Polizistenschüler hatte gegen seine Entlassung geklagt. Aber alle außer dem Polizistenschüler waren sich einig: Für eine dauerhafte Anstellung hatte er definitiv zu oft zu lauten Sex auf seinem Balkon. Diesbezüglich hatte sich der AfD-Adonis immerhin im Griff.
Der Blumencron der Woche
Wer hätte gedacht, dass sich Mathias Müller von Blumencron für “Die Eskapade” mal zu dem entwickelt, was für Anne und Maybrit die Flüchtlinge sind: ein Dauerbrenner. Seine Irrfahrt gen Azoren hatten wir hier ja bereits minutiös aufbereitet. Und schon sorgt der hanseatische Blattmacher wieder für Nachrichten, an denen wir nicht vorbeikommen: Mathias Müller von Blumencron wird neben Lorenz “Eh schon da” Maroldt Chefredakteur des Berliner “Tagesspiegel”.
Alle anlässlichen Wortspiele über die Neuverwendung von Hobby-Nautiker Müller von Blumencron (“in Berlin angelegt”, “Ruder rumreißen”, “ruhigeres Fahrwasser”) hatten wir fristgerecht an die Turi2-Redaktion weitergeleitet. Kamen aber offenbar nicht mehr rechtzeitig an.
Ruhig mal Intension tippen
Diese Zurückausdemurlaubmeldung soll enden mit zwei Bitten angesichts der scharmützeligen Tage, die uns bevorstehen. Erstens, liebe Mit-Eskapisten, sei Euch das Gebrülle und die Dauer-Fassungslosigkeit unserer digitalen Mitmenschen egal. Denn, das hat das Hans-Bredow-Institut inzwischen herausgefunden, das Gebrülle mag laut sein, aber die Fassungslosigkeit hat mit dem echten Leben nicht viel zu tun.
Und zweitens, lasset uns das Wort Intension viel öfter im Internet hinterlassen. Mein neuer Lieblingsnewsletter musste nämlich konstatieren, dass die Intension nur ganz selten im Internet zu finden sei. Und noch schlimmer: “In den meisten Fällen wollten die Autoren wohl ‘Intention’ schreiben und haben sich vertippt.” Dagegen muss man doch was tun.
Die Eingeborenen von Vierzonesien
Der traditionell musikalische Schluss wird sonderbar. Aber ich mein’s ernst. Konrad Beikircher hat vor Jahren den Karnevals-Stampfer “Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien” neu dargeboten. Nämlich ganz ungebrüllt. Und da offenbart sich dann, was für ein heiteres, patriotisches, sich selbst ganz unwichtig nehmendes Stückchen Lied das ist.
Aus dem Trizonesien ein Vierzonesien und das Lied zur deutschen Nationalhymne machen – die Online-Petition bereite ich gerade vor. Bis dahin einfach die Melodie summen bei der nächsten Nacht-Schalte zum Kanzleramt, wenn alle wieder heißlaufen. Dann kommt einem Bettina Schausten ein bisschen vor wie Frau Waas und Claus Kleber viel mehr wie Alfons, der Viertel-vor-Zwölfte. Und damit wären wir der Wirklichkeit schon ganz nah.
Bis dann dann
Am nächsten Montag verlege ich mich in Sachen Internetanschluss auf die Telekom. Klingt nach dem Anfang eines Facebook-Posts mit mindestens 250 Likes (“tränchenwegwisch”). Mir würd’s schon reichen, wenn mich die Magenta-Menschen reibungslos im Internet lassen. Damit wir uns glasfaserschnell wiedersehen.
Bis nächste Woche
Andreas
p.s. Wenn Dir gefällt, was Du gelesen hast, leite “Die Eskapade” doch an Michael Kretschmer weiter. Die ersten drei Empfehler gewinnen einen schwarz-rot-goldenen Anglerhut. Oder Du abonnierst sie hier.